Kapitel 27


Das i hat sein ich verloren. Es ist erstaunlich, wie seltsam es sich anfühlt, ohne ich zu sein! Konnte das i zum Beispiel vorher noch seine Hände auf einen schönen, prallen Körper legen und sich selbst spüren, so ist der Körper jetzt schlaff und hängt irgendwo, wie ein Fetzen Stoff an einem Haken. Das ist schrecklich und das i weint darum auch, und viele Tränen laufen aus seinen Augen, rinnen über die hohlen Wangen und tropfen irgendwo ins Leere. Wohin sie tropfen, wagt das i gar nicht nachzusehen, denn ihm graut vor dem Nichts an der Stelle, wo zuvor noch sein Körper war.
Das i weiß, es müsste anfangen, nach seinem ich zu suchen, aber das i kann sich nicht dazu aufraffen. Das i will viel lieber weinen und weinen, alle warmen Tränen herausweinen, sich ausströmen, sich vollends hergeben. Es ist, als wolle das i in seiner Schwäche mit den vielen Tränen die letzten Reste seines ichs aufgeben, denn es fühlt, alles ist vorbei, es gibt kein Zurück, alles schwindet, alles fällt, es ist so, wie es ist. Da ist es fast besser, das i hilft mit und beschleunigt das Ende, in dem es sich einfach ausweint.
Wollte es überleben, müsste es sein ich suchen. Aber selbst wenn das ich hier um die Ecke wäre, gerademal einen Meter vom i entfernt und das i müsste nur die Hand nach ihm ausstrecken, so wäre es zu schwach und könnte es nicht. Es könnte die Hand nicht heben, es kann es nicht. Das i ist so schwach, dass es nicht einmal an das ich denken kann. Es will auch gar nicht an das ich denken. Das i will gar nichts mehr.
Wie soll man sein ich suchen, wenn man so schwach ist? Okay, vielleicht ginge es gerade noch, die Hand auszustrecken und das ich wieder herzuholen. Aber das ich ist ja eben nicht um die Ecke, es ist ja verschwunden. Soll das i sich vielleicht auf eine schrecklich mühselige Wanderung begeben, um das ich zu suchen? Das ist ganz unmöglich wegen der Schwäche und weil das i nur noch ein Fetzen Stoff ist, der in der Luft hängt.
Wie es da so hängt, merkt es, dass es noch ein kleines bisschen denken und fühlen kann.
Und es merkt, dass es vielleicht schon ganz gern das ich suchen würde.
Aber wo soll es mit der Suche beginnen?
Das ich kann überall sein, in Los Angeles genauso wie auf der sagenhaften Insel Mauritius oder im Bayrischen Wald. Es ist also völlig ausgeschlossen, das ich jemals zu finden. Das i müsste sich auf eine jahrelange, anstrengende, mühevolle Wanderung begeben, schwach wie es ist und mit ungewissem Ende. Das i denkt und denkt und verwirft den Gedanken endlich. Die Suche dauerte zu lang. Und außerdem – wer soll das bezahlen?
Schließlich macht es doch zwei Schritte. Es ist das Anstrengendste, das das i jemals gemacht hat.