Kapitel 4


Das i war im Himmel.
Von dort aus stieg es auf einer langen, langen Leiter
über viele Sprossen
hinab auf eine Blumenwiese.
Das i schaute sich um. Ein einziges Mal erst hatte es Blumen gesehen: im Garten zwischen den grauen Mauern unter den schwarzen Kreuzen. Doch hier waren die Blumen anders, sie waren riesig, sie waren nah, und sie dufteten gut. Das i legte sich aufs Gras und blickte hinauf in die Farbenpracht. Es sah, wie die Blumen nachdachten, murmelten und sich bewegten. Manche von ihnen begaben sich auf Wanderschaft. Das i sah eine Sonnenblume, die zwar stehen blieb, sich aber streckte, wuchs und den Bäumen Konkurrenz machte. Sah das Wiesenschaumkraut, das lächelte. Es träumt wohl einen blauen Traum, dachte das i. Eine Königskerze richtete umständlich ihr Kreuz in der Schwebe. Eine Rose mit orangeroten Blüten und goldenen Zacken an den Blütenspitzen ging fort, sie ging und ging, bis sie nicht mehr zu sehen war, bis an den äußersten Rand und trat dann über ihre eigene Grenze.

Es regnete, und Milliarden Tropfen fielen auf Milliarden Blumen. Das nasse i, das liegengeblieben war, sah die Seerose, die sich neigte, zitterte, und im hohen Regenbogen ihre Last abwarf. Die Luft wurde warm und hell, das i richtete sich auf, da waren Funken, die von Narzissen sprühten. Ein ganz alter, vertrockneter Kaktus beschirmte sich mit einer samtroten Blüte. Nebenan läuteten Schneeglöckchen.

Das i sah, wie die Wiese müde wurde.
Stille senkte sich auf das Grab der Wiese. Es wurde Nacht. Im Sterben erblickte das Springkraut den Bogen der Galaxie, und es überschritt den Rand des Bogens. Doch der Rittersporn und die Lilie wollten nichts überschreiten und wehrten und rüsteten sich. Der Löwenzahn, ebenfalls störrisch, salutierte zackig. Leider welkte er alsbald, um anschließend zu explodieren. Die Sonne trat hervor, und alles erwachte. Die Wiese wurde noch schöner als zuvor.
Die Füße vom i durchstreiften das Gras. Die Astern verneigten sich vor ihm, die Krokusse küssten es, die Glockenblumen läuteten ihm, der Mohn betäubte es. Kornblumen und Malven hielten es fest.

Nächstes Kapitel